Afrika wird armregiert

Insider aus dem Diplomatischen Dienst meldet sich zu Wort Entwicklungshilfe wird reichlich gegeben. Sie wird als gute Tat nicht infrage gestellt. Das gilt auch für die Arbeit von Hilfsorganisationen. Doch die traurige Wahrheit ist, dass diese Art von Hilfe den wichtigsten Mechanismus zerstört, der langfristig die Armut beseitigen kann: die Entwicklung eines kompetenten, unbestechlichen und den Interessen der Bevölkerung dienenden Staatsapparates. Ein Ende ist nicht in Sicht, solange die korrupten Eliten vom „Stamm der Wa Benzi“, so genannt nach der sehr beliebten Automarke, in ihrer Ausplünderungsmentalität ohne jede Verantwortung regieren und unbekümmert die Ressourcen verschwenden können, weil dieser Missbrauch für sie keine Folgen hat. Die Gelder fließen ja weiter. Nach 17 Jahren als Diplomat in Afrika plädiert Volker Seitz dafür, dieser schädlichen Art der Unterstützung ein Ende zu machen und völlig neue Wege zu gehen.

Leseprobe

Immer wieder finden sich Eskimos, die den Afrikanern sagen, was sie zu tun haben.
Stanislaw Jerzy Lec

Vorwort

Ich kann mich noch an den Moment erinnern, als mir in Khartoum Anfang der 90er Jahre der damalige deutsche Botschafter Dieter Simon sagte, die Entwicklungshilfe hätte die Korruption in seinem Land Sudan, in dem er die deutschen Interessen vertrat, erheblich angeheizt. Ich war ja nun mit der Milch der entwicklungspolitischen Korrektheit aufgewachsen, die in Abwandlung von Immanuel Kant sagte: Es gibt nichts innerhalb der Welt wie auch außerhalb derselben, was allein als politisch gut bezeichnet werden kann denn die Entwicklungshilfe. Ich bin auf diesem Humus aufgewachsen. Und bin darin jetzt bis in meine politischen und intellektuellen Wurzeln verunsichert.

Das Wort Schuldenerlass hatte auch ich wie eine theologische Vokabel für richtig gefunden. Wie wir nach der Vaterunserbitte von Gott die Vergebung, also den Erlass der eigenen Schulden, erbitten, so konnte dieser Entschluss der eigenen Regierung ja nur bedeuten, dass sie auf eine moralisch richtige Politik eingeschwenkt sei. Dass sich die Korruption afrikanischer Regierungen, die sich zu Unrecht Vertreter der tapferen und unglaublich fleißigen Bauern, Nomaden und Landwirte nennen, bis nach Deutschland erweitert hatte, sagte mir schon 1995 ein Angolaner, Ricardo de Mello, der geniale Herausgeber und Redakteur des sogenannten „Imparcial Fax“. Das war ein wöchentlicher Fax-Dienst in Angolas Hauptstadt Luanda, so gefürchtet, wie ich es selten in meinem journalistischen Berufsleben erlebt habe. Warum? Weil dieser de Mello alle Korruptionsskandale offenlegte, über die in der Hauptstadt Angolas zwar gesprochen, aber nicht geschrieben wurde. Z. B., dass Angolas Botschafter in Deutschland eine Flotte von 20 Mercedes Silberpfeil für seine Regierung bestellen sollte. Er machte diese Bestellung unter der Bedingung, dass er einen eigenen Wagen der Luxusklasse für sich dazubekam, und machte die zweite Bedingung, dass eine Rechnung von Mercedes nicht über 20, sondern über 21 Luxus-Karossen erstellt wurde. So dass er den Wagen und noch einmal den Gegenwert in Dollar oder damals DM bekam. Wenige Tage, nachdem mir de Mello das erzählt hatte, lag er ermordet vor der Wohnungstür im dritten Stock des Hauses in der Nähe der Uferpromenade in Luanda, in dem er damals wohnte.

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Über den Autor

Volker Seitz, Jahrgang 1943, war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das Auswärtige Amt tätig, unter anderem bei der EU in Brüssel und in mehreren Ländern Afrikas, und von 2004 bis zu seinem Ruhestand 2008 Leiter der Botschaft in Jaunde/Kamerun.

Pressestimmen

In vielen Ländern sei den Parlamenten die Dimension ihrer Rohstoffvorkommen und des Handels gar nicht bekannt, korrupte Machthaber wirtschafteten in eigene Taschen, der Mangel an Rechtsstaatlichkeit werde subventioniert, sagt Volker Seitz. Am Verdienst eines Menschen hänge in Afrika das Überleben von durchschnittlich zehn weiteren, dabei müsse unser Interesse doch eigentlich sein, deren Situation tatsächlich zu verbessern, um die Fluchtbewegung in den Griff zu bekommen. Volker Seitz kritisiert die mangelnde Kontrolle und Wirkungsprüfung, er sagt, es sei falsch, dass es keine Motivation zum Aufbau einer eigenen Entwicklungshilfe gäbe und dass hierzulande Entwicklungshilfe zum Einkommensmarkt, zum Beruf vieler Hunderttausender geworden sei. (hr online)

Die Entwicklungshilfe ist nur ein Nebenthema im Wahlkampf, aber alle bekennen sich dazu … Jeder will helfen, ganz besonders in Afrika. Zugleich sind alle irritiert, wenn afrikanische Ökonomen wie James Shikwati oder Dambisa Moyo fordern, die milden Gaben ersatzlos zu streichen. Sie würden nur korrupte Eliten mästen, die Empfänger abhängig machen und unter dem Strich mehr schaden als nützen. Unter dem Titel ›Afrika wird armregiert‹ liegt nun eine abgemilderte deutsche Version dieser Fundamentalkritik vor. Volker Seitz hat sie geschrieben, ein Exbotschafter, der viele Jahre in Afrika stationiert war. (Die Zeit)

Verdunstete Hilfe … Die weißen Kolonialherren seien durch schwarze ersetzt worden, durch eine ›habsüchtige Staatsfunktionärsklasse‹. Deren Angehörige führen mit pompösen Eskorten durch die Lande, die Scheiben verdunkelt, ›damit die Insassen möglichst wenig von dem Elend mitbekommen‹. Seitz fordert, die reichen Länder sollten ihr Geld in Zukunft nicht mehr als Bugdethilfen überweisen, sondern direkt in Gesundheit, Bildung und Landwirtschaft investieren. Vor allem aber müssten die Geber ernsthaft kontrollieren, was mit ihren Spenden geschehe: ›Erst wenn grassierende Probleme von Korruption und Amtsmissbrauch ernsthaft angepackt wurden, darf es noch mehr materielle Hilfe geben.‹ (Der Spiegel)

Afrika wird armregiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann:
Mit einem Vorwort von Rupert Neudeck

Taschenbuch: 220 Seiten
Verlag:
Deutscher Taschenbuch Verlag

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