Hello Money

Quer durch Äthiopien. Durch den wunderschönen bergigen Norden, über Addis Abeba bis zur kenianischen Grenze. Über hohes Gebirge, bezaubernde Klöster sowie grandiose Landschaften. Und die Frage: Warum ist Betteln in Äthiopien ein Volkssport?

Nach unserer letzten Nacht auf sudanesischem Boden, traf uns die äthiopische Grenze wie ein Schlag ins Gesicht. Jeder, ausnahmslos jeder hielt die Hand auf. Die Zollbeamten waren nur gegen Geld zum Arbeiten zu bewegen. Die Schlepper, die Kinder und alle anderen fragten nach Geld, Kugelschreiber, Essen, Kleidung, Schreibhefte, etc. Es dauerte nur einige Kilometer, bis die ersten Kinder Steine auf unser fahrendes Auto warfen. Zur allgemeinen Erklärung, gehört das Steinewerfen anscheinend in manchen Gegenden zur Kultur der Äthiopier und ist nicht nur gegen spendenunfreundliche Touristen gerichtet. Wir hatten gesehen, wie die Äthiopier sich gegenseitig mit Steinen bewarfen, wenn sie ihren Unmut kundtun wollten. Vor allem bekamen ihre Tiere Steine zu spüren, wenn diese nicht parierten.  Uns begleiteten die Steine auf fast allen Strecken bis zum Rande des Omo Valleys. Dabei waren wir als Autofahrer wenigstens geschützt. Den Motorradfahrern und vor allem den Fahrradfahrern, die wir unterwegs trafen, erging es weitaus schlimmer.

Ursprünglich hatten wir geplant, direkt bis zum Lake Tana durchzufahren. Nach unserem längeren Aufenthalt an der Grenze beschlossen wir jedoch, zusammen mit Igor und Johannes ein Buschcamp auf halber Strecke mitten in einer wunderschönen bergigen Landschaft aufzuschlagen. Schon als wir unseren Toyota bzw. die Motorräder geparkt hatten wurden wir von immer mehr Kinderaugen stumm und interessiert angestarrt. Sogar die einbrechende Nacht konnte die ca. 20 Kinder und Jugendliche nicht bewegen, endlich ihren Nachhauseweg anzutreten. Je später es wurde, umso eindringlicher wurde gebettelt. Aus reiner Verzweiflung haben wir uns dann doch hinreißen lassen den Kindern Brot, Früchte und Kugelschreiber zu geben. Wir wussten, dass das der größte Fehler war, den Touristen in einem Entwicklungsland machen können. So werden Kinder nur zum Betteln erzogen und werden immer pedantischer, wenn dies zum Erfolg führt. In unserem Fall hatte uns dies nur den Abend gerettet, da  wir die Kinder/Jugendliche dann nach und nach los wurden. Bei Sonnenaufgang um 5:00 Uhr  waren die Kinder schon wieder da und forderten mehr von den Gaben. Uns blieb nichts anderes übrig, als so schnell wie möglich unsere Sachen zu packen und ohne Kaffee loszufahren, da diesmal die Kinderhände unerlaubterweise überall waren. Zum Abschied flogen dann auch leider wieder Steine. Wir müssen hinzufügen, dass die Menschen in der Gegend nicht hungern. Es gibt überall gut funktionierende Landwirtschaft und genug zu essen. Gebettelt wird anscheinend nur aus Gewohnheit.

Über Gonder ging es an diesem Tag weiter zu den Simien Mountains. Nach einer wilden Off-Road Strecke erreichten wir unser Camp auf 2800 m Höhe. Beim Ticket Office mussten wir uns einen Scout nehmen, da dies die Nationalparkregel vorschreibt. Als der Scout bei der Begrüßung auf unsere Frage „what‘s your name“ nicht reagierte, stellten wir enttäuscht fest, dass er kein einziges Wort Englisch sprach. Zusätzlich hatte er seit langer, langer Zeit keine Dusche mehr gesehen und ein Weiterfahren war trotz eisigen Temperaturen nur noch mit offenen Fenstern möglich. Dafür hatte er ein vollautomatisches Gewehr um eventuelle Angreifer oder wilde Tiere (wir haben weder das Eine noch das Andere gesehen) von uns fern zu halten und ließ sich nicht davon abhalten auch bei nächtlichen Minustemperaturen und Raureif vor unserem Auto zu sitzen. Die Siemen Mountains sind ein Traum von Bergen und Naturspektakel. Wir verbrachten die nächsten drei Tage umgeben von einer wilden, exotischen, naturbelassenen Schönheit der Berge. Zwischen Steinböcken, Affen, Farnwäldern und Palmen sind wir bis auf 4430 m gestiegen.

Über Debark am Rande der Simien Mountains, ging es weiter nach Axum über abenteuerliche aber atemberaubend schöne Pässe jedoch sehr schlechte Pisten. Überall auf den Straßen Äthiopiens gingen die Menschen zu Fuß (alles scheint ständig und immer auf den Beinen zu sein). Zusätzlich spielten Kinder abenteuerlich nah am Straßenrand und winkten ganz wild und aufgeregt mit den Zurufen „youyouyouyou“ „birr birr birr“ (lokale Währung), „hello money“, etc. etc. Noch nicht einmal ein kurzes Stehenbleiben war möglich, ohne gleich belagert zu werden.  Nach und nach werden die Straßen (überwiegend von Chinesen) im bergigen Norden gebaut. Wir sahen sehr viele Frauen und Kinder die am Straßenbau arbeiteten.

Axum erreichten wir trotz Anstrengung an einem Tag. Axum war die Hauptstadt des Aksumetischen Königreiches (1. Jahrhundert nach Christi). Hier wird auch, so glauben die Orthodoxen Christen die israelitische Bundeslade behütet. Ob dem so ist, ist schwer nachzuprüfen, da diese von einem Mönch bewacht wird. Der bewachende Mönch muss seine Lebensaufgabe vor seinem Tode an einen anderen Mönch übergeben.  So bleibt die ganze Geschichte geheimnisumwittert und überaus mythisch. Axum ist auch heute noch einer der wichtigsten heiligen Orte der Orthodoxen Christen in Äthiopien. Wir fanden die Stadt und die Sehenswürdigkeiten allerdings nicht sonderlich spannend. Nach einem Tag Besichtigung der bis zu 33 Meter hohen Stelen (die über 500 Tonnen wiegen), des Museums, ein paar Kirchen und des Bades der Königin von Saba ging es weiter nach Debre Damo. Dieses Kloster liegt auf einem Felsplateau und kann nur über eine senkrechte Felswand von 30 Metern mit einem Lederseil erklommen werden. Gemeinerweise ist der Zutritt nur für Männer gestattet und Viktoria musste unten warten. Hier oben scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Es scheint, dass sich seit dem sechsten Jahrhundert hier nicht viel verändert hat. Die kleinen Hütten und das Kloster sind nicht sehr spektakulär. Vielmehr ist es die Sicht, die einen grandiosen Rundumblick über die Berge bis nach Eritrea bietet.

Am übernächsten Tag erreichten wir Lalibela. Die holprige Fahrt ging wieder über schlechte Straßen, wunderschöne Pässe und traumhafte  Landschaften (für 200 km hatten wir ca. 8 Stunden gebraucht). Lalibela (auch Neu-Jerusalem genannt) ist bekannt für seine Felsenkirchen und ist eine der heiligsten Städte Äthiopiens sowie „das“ Wallfahrtszentrum des Landes. Die sehr beeindruckenden und massiven mehrgeschossigen Kirchen wurden im zwölften und dreizehnten Jahrhundert aus den Felsen gehauen. Heute zählen diese Kirchen zum Weltkulturerbe der UNESCO. Lalibela war der erste Ort, an dem wir etwas aufatmen konnten, da ein Tourist-Development und Education Programm anscheinend die Einheimischen gelehrt hat, die Touristen in Ruhe zu lassen und nicht ständig anzubetteln.  Das war die reinste Wohltat.

Von Lalibela fuhren wir nach zwei Tagen an den Lake Tana nach Bahir Dar. Bahir Dar ist ein netter, sehr grüner exotischer Ort im Süden des Sees. Der Lake Tana ist bekannt für die Insel-Klöster aus dem vierzehnten Jahrhundert der Christlich-Orthodoxen Kirche. Wir hatten drei der Klöster besichtigt, die sehr bunt waren mit bildhaften Darstellungen der Glaubensgeschichte. Nach Aussage des Tourguids war es einfacher im vierzehnten Jahrhundert den Christlich Orthodoxen Glauben mit Bildern unter Analphabeten zu verbreiten. Die Inselklöster waren schön, jedoch besonders genossen hatten wir, mal einen Tag nicht im Auto durchgerüttelt zu werden, sondern sanft auf dem Wasser zu schaukeln. Auf dem Weg haben wir sogar ein Nilpferd gesehen.

Von Bahir Dar sind wir an einem Tag die relativ gut ausgebaute Strecke nach Addis Abeba gefahren. Wir haben uns sehr gefreut, in Addis Abeba unsere Freunde Dee und James aus England und unsere Biker Freunde Igor und Johannes im Wims New Holland House (GPS Koordinaten N9 00.589 E38 45.318) wiederzutreffen und hatten mit ihnen Weihnachten zusammen gefeiert. Wims, der Besitzer, ist Holländer, der für alle Probleme und Fragen eine Lösung hat.  Zusätzlich ist Wims New Holland House ein Overlandercamp, bei dem sich alle treffen, die entweder Richtung Süden oder Norden unterwegs sind. So hatten auch wir weitere interessante Leute kennengelernt, die ebenfalls auf dem Weg nach Südafrika sind. Addis Abeba war gefüllt mit Erledigungen, wie Visabesorgung bei der Kenianischen Botschaft (GPS Koordinaten: N9 01.945 E38 46.994), Besorgung der Comessa Versicherung für unser Auto (GPS Koordinaten N15 35.851 E32 31.624) und das Ausstempeln des Carnet de Passage bei der Customs and Road Athority (GPS Koordinaten N9 00.874 E38 47.969). Da wir die Turkana See Strecke gefahren sind, hätte es keine Möglichkeit mehr gegeben. Die Grenzposten sind nur minimal besetzt und es gibt keinen Zoll. Zusätzlich hatten wir unsere Lebensmittel aufgestockt und konnten es nicht fassen, dass wir in den Supermärkten italienische Spezialitäten, wie Panetone, Pasta, Mortadella, Parmesan etc. fanden. Gut für uns, dass die Italiener ihre kolonialistischen Spuren so gründlich und nachhaltig hinterlassen haben. Wir fanden es sowieso sehr erstaunlich, dass wir auf unserer Strecke von Norden nach Süden Äthiopiens (auch manchmal in den entlegensten Orten) frische Lebensmittel wie Avocados, Zwiebel, Tomaten, Mangos, etc. kaufen konnten. Wahrscheinlich waren wir  zu einer günstigen Jahreszeit dort. Uns wurden sogar regelrecht die Karotten durch unser Autofenster mitten in den Bergen auf ca. 3000 Metern Höhe gereicht. Das waren die köstlichsten und frischesten Karotten, die wir jemals gegessen hatten.

Einen Tag vor unserer Abreise aus Addis haben wir ein kurzes Interview mit zwei Mitarbeitern von dem Institute for Stustainable Development geführt. Das Entwicklungsprojekt beinhaltet die Verbreitung von „Best Practice“ Techniken unter den Landwirten. Aufgrund des Klimawandels müssen die Landwirte ihre Methoden umstellen um effizienter produzieren zu können und nicht hungern zu müssen. Dies ist besonders wichtig, da mehr als 85% aller Äthiopier in der Landwirtschaft tätig sind und diese einer der wichtigsten Exportgüter darstellt.

Nach Drei Nächten Addis Abeba haben wir uns auf den Weg Richtung Omo Valley gemacht. Wir sind die Strecke über Butajira und Sodo gefahren, die zur Abwechslung mal sehr gut ausgebaut war. In Konso hatten wir besonderes Glück mit unserer Übernachtung. Wir übernachteten etwas außerhalb des Ortes auf einer fantastischen Lodge (GPS Koordinaten N5 20.002 E37 25.794). Der Besitzer der Lodge ist zur Hälfte Schweizer und hat die Lodge sehr geschmackvoll mit einem Design aus dem Jemen und lokalen Materialien ausgestattet. Abends schlemmten wir in seinem Restaurant die lokalen Spezialitäten.

Weiter ging es am nächsten Tag nach Tumi, wo wir mit allen Overlandern, die wir im Wims getroffen hatten, Neujahr gefeiert haben. Die bis dahin angewachsene Gruppe bestand aus zwölf Leuten und es war sehr lustig und feucht-fröhlich. Leider konnte das Pärchen aus Holland Michael & Jeldau nur mit etwas Verspätung dazu stoßen, da sie ca. 40 km vor Tumi zwei platte Reifen hatten. Als wir um 20:00 Uhr davon erfuhren, hatten zwei von unserer Gruppe sofort ein Auto und zwei Ersatzreifen organisiert und die beiden noch an dem Abend „gerettet“.

Das Omo Valley ist nicht nur landschaftlich bezaubernd schön, sondern es gibt mit die faszinierendsten und buntesten ethnischen Gruppen Afrikas. Doch leider sind diese touristisch schon sehr erschlossen und eine Besichtigung fühlt sich eher an wie ein Zoobesuch. Außerdem ist ein Besuch eines Dorfes nur mit Scout und Guide möglich und kostet Unsummen von Personal-, Eintritts- und Fotogebühren. Da wir uns auf dem Weg Richtung Süden befinden und noch sehr viele Stämme sehen werden, haben wir uns entschieden nur bei einem Dorf des „Hammer-Stammes“  spontan auf unserem Weg nach Kenia vorbeizufahren. Auf unserem Weg Richtung Süden haben wir dann auch den einen oder anderen Stammangehörigen gesehen.

Die Ausreise nach Kenia war sehr unspektakulär und war in 10 Minuten erledigt, da wir die Formalitäten schon in Addis Abeba erledigt hatten.

Zusammenfassend können wir sagen, dass wir die Landschaft Äthiopiens trotz zum Teil sehr schlechten Straßen sehr genossen haben und außergewöhnlich faszinierend fanden. Jedoch fühlten wir uns von den Menschen egal wo wir waren bedrängt. Wie anfangs schon erwähnt, wurden wir sogar mit „Hello Money“ begrüßt oder mit den Worten „You have to give me money!“.  Die Menschen scheinen sich so sehr an Hilfe von außen gewöhnt zu haben, dass alles was nicht äthiopisch aussieht angebettelt wird. Ohne Zweifel, das Land ist sehr arm. Viele Menschen leben und betreiben ihre Landwirtschaft wie vor 3000 Jahren. Wir haben auf dem Weg vom Norden in den Süden keinen einzigen Traktor gesehen sondern nur Menschen, die mit Holzgabeln und Tieren arbeiteten. Irgendetwas scheint mit der Entwicklungshilfe in Äthiopien nicht zu stimmen. Es scheint so, dass in keinem Land Afrika’s mehr Entwicklungshilfe geleistet wird als dort. Wir hatten in jedem auch noch so kleinen  Dort mindestens ein Schild von internationalen Entwicklungsprojekten gesehen. Jede erdenkliche Entwicklungsorganisation ist bestimmt einmal in Äthiopien vertreten. In Addis Abeba gibt es das teuerste und beste Hotel Afrika’s und wie wir gehört haben, übernachten dort viele Mitarbeiter von Entwicklungsgesellschaften. Zusätzlich fahren diese Mitarbeiter mit den neuesten und teuersten Geländewagen durch die Gegend. Es ist für uns schwer nachvollziehbar, dass im Osten des Landes zur Zeit eine der schlimmsten Hungerkatastrophen herrscht trotz guter Ernte und langer Regenzeit. Wir haben den Osten Äthiopiens nicht bereits, da wir aus Sicherheitsgründen und sehr schlechten Straßen nicht zu nahe an die somalische Grenze fahren wollten.

Unsere Highlights:

  • Die faszienierenden Landschaften Äthiopiens
  • Die wunderschöne Bergwelt der Simien Mountains
  • Die Felsenkirchen von Lalibela
  • Der schöne und exotische Ort Bahir Dar
  • Die Klöster auf dem Lake Tana
  • Die unterschiedlichen ethnischen Stämme des Omo Valley‘s
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